Darf ich eigentlich stolz sein und wenn ja, worauf?

Vorgestern habe ich mein erstes Hochbeet angelegt,
den Garten gejätet und neue Blumen gepflanzt.

Ja, ich habe sogar Unkraut gezupft. Ich hoffe zumindest, dass es Unkraut war.
Das ist für die meisten nichts Besonderes, aber was Gartenarbeit angeht,
kann ich meinen Schweinehund nicht so oft überwinden.

Also ist es für mich schon etwas Besonderes.



Stolz oder Freude?

Als ich abends im Bett lag, müde und mit schmerzenden Muskeln,
dachte ich daran, wie ich meiner Freundin am folgenden Tag stolz mein Werk präsentieren würde. Moment mal. Stolz?

Auf so ein bisschen Gartenarbeit? Also bitte, sagte eine innere Stimme.

Na ja, dachte ich, dann zeige ich es ihr eben freudig. Auch gut.



Warum fällt es vielen so schwer, stolz zu sein?

Aber was ist das denn mit dem Stolz?
Warum fällt es vielen so schwer, auf etwas stolz zu sein?
Denn tatsächlich fällt es vielen schwer.

Im Coaching erlebe ich es sogar immer wieder, dass Klient:innen die Tränen in die Augen steigen wenn ich sie frage, worauf sie denn stolz sind.

Wir arbeiten dann in ganz kleinen Schritten daran,
die Emotion „Stolz“ aufzubauen.



Bescheidenheit als Zier?

Kennen Sie den Spruch
„Bescheidenheit ist eine Zier nur weiter kommst Du ohne ihr“
oder so ähnlich?
Ist ja vielleicht erstmal ganz lustig, aber der erste Teil des Satzes klingt bei mir schon übel an, trifft aber das, was ich als Kind gelernt habe.

„Nimm Dich nicht so wichtig, sei bescheiden…“ Also:
Bescheidenheit als Zier, als etwas, das erstrebenswert ist.
Dann ist das mit dem Stolz natürlich nicht mehr so einfach.



Darf ich oder darf ich nicht und wer bestimmt das überhaupt?

Also stelle ich mir die Frage:
„Wann und worauf „darf“ ich denn eigentlich stolz sein und wann ist es eher vermessen?“

Eigentlich gar nicht so schwer.
Auf etwas, das ich aus eigener Kraft geleistet / erreicht habe,
kann ich durchaus stolz sein.

Die stolze Grundhaltung
„ich bin ein toller Hecht – (oder Hechtin?)“
ist für mich hingegen nicht erstrebenswert.
Letztens hatte ich eine junge Klientin im Coaching, die immense Fortschritte gemacht hat.

Innerlich habe ich immer wieder gedacht, dass ich total stolz auf sie bin.
Aber irgendwie habe ich mich schwer damit getan, es zu äußern.
Schließlich hat sie die Arbeit geleistet und nicht ich.

Also ihr Stolz, nicht meiner.

Kann man auf jemand anderen stolz sein? Passt die Emotion Stolz hier?
Ich weiß es nicht genau, aber wenn ich die Emotion nun einmal habe?
Oder ist das vermessen? Zu einem richtigen Ergebnis komme ich hier nicht.
Vielleicht haben Sie eine Meinung dazu?



Ich darf! Und das entscheide ich selbst.

Wenn ich nach diesen Gedanken auf meine Gartenarbeit zurückkomme,
lande ich dann doch wieder beim Stolz.

Stolz darauf, dass ich meinen Schweinehund überwunden habe.
Aber ob ich später stolz auf die Pflanzen sein werde,
die (hoffentlich) tapfer wachsen, möchte ich bezweifeln.

Oder vielleicht doch ein bisschen..?

Aber tatsächlich ist für mich – mal abgesehen von meiner innerlichen Diskussion, ob ich auf andere stolz sein darf – völlig klar, dass man nicht nur stolz sein darf, sondern auch stolz sein soll.

Auf all die kleinen und großen Dinge, die wir im Laufe eines Tages so schaffen.



Trauen Sie sich! Stolz zu empfinden ist so wertvoll!

Das schwierige ist für viele allerdings wirklich, sich zu trauen, stolz zu sein. Und noch schwieriger, es auch noch zu äußern.
Aber die gute Nachricht, man kann es lernen.

Zumindest habe ich es gelernt:
erst, Stolz zu fühlen und dann, ihn auch zu äußern.


Wie das geht? Langsam, aber stetig!


Am besten mit einem Erfolgstagebuch.
Tragen Sie jeden Tag drei Dinge ein, die ihnen gut gelungen sind,
die etwas Besonderes für Sie waren oder
wo Sie Ihre Komfortzone verlassen haben und erlauben Sie sich,
stolz darauf zu sein.

Natürlich ist das am Anfang nicht so einfach, aber ich verspreche Ihnen,
es wird von Woche zu Woche leichter.